0800 4433551   Sofortberatung   Mo bis Fr 7:00 – 22:00 Uhr & Sa 10:00 – 18:00 Uhr

Start/ Blog/ Kategorie: Interviews/ Geoinformationssysteme und Vogelschutz: Was haben Vögel mit GIS zu tun?

Geoinformationssysteme und Vogelschutz: Was haben Vögel mit GIS zu tun?

Vogel auf Ast wird in Geoinformationssysteme eingetragen.

cimdata bietet einige Weiterbildungen im Bereich der Geoinformationssysteme (kurz GIS) an. Wofür das steht, für wen das interessant sein kann und was das Thema mit Ornithologie und Naturschutz zu tun hat? Um euch das zu verraten, haben wir den Landschaftsökologen Christoph Himmel interviewt.

Christoph Himmel verdient seinen Lebensunterhalt mit etwas, wovon viele nur träumen können:
Der Landschaftsökologe läuft im Auftrag verschiedener Unternehmen Strecken ab und hört sich ganz bewusst Vogelstimmen an. Kleiber, Bluthänfling, Gimpel – er erkennt sie alle am Gesang. Und das muss er auch, denn seine Arbeit findet für gewöhnlich während der Brutzeit statt, wenn alle Bäume und Sträucher ihr dichtes Blätterwerk präsentieren. Das macht es oft unmöglich, mit dem Fernglas nach Vögeln zu suchen.

Unsere Dozentinnen für die Weiterbildung InDesign bei cimdata

Über die Kartierung der Arten

Immer mit dabei ist ein Tablet, auf dem die wahre Magie passiert. Sobald Christoph einen Vogel gehört oder gesehen und identifiziert hat, trägt er dessen Anwesenheit auf einer digitalen Karte ein – mit genauen Koordinaten. Mehrere Wochen lang wiederholt er diesen Gang in festgelegten Zeiträumen und sammelt so beständig Daten für seinen Auftraggeber. Das kann zum Beispiel ein Planungsbüro sein, das ein bestimmtes Bauvorhaben beabsichtigt. Anhand der gesammelten Daten kann er dann ein entsprechendes Gutachten erstellen. Leben in einem Gebiet bestimmte Vogelarten, auf die geachtet werden muss? Verstößt das Bauvorhaben gegen Verordnungen oder werden alle Vorgaben eingehalten?

So darf zum Beispiel in einem gewissen Radius um eine Windkraftanlage kein Seeadler brüten. Diese Vögel fallen leider immer wieder Windrädern zum Opfer – sie unterschätzen vermutlich die Geschwindigkeit der Rotorblätter und überleben den Zusammenstoß nicht. Und genau diese Zwischenfälle gilt es zu vermeiden. Denn es ist noch gar nicht so lange her, dass Seeadler in Deutschland kurz vorm Aussterben standen. Die Bestände sind dabei, sich zu erholen, und so muss jeder einzelne Seeadler geschützt werden. Das heißt für die Praxis: jede Begegnung mit einem Seeadler wird von Christoph im Programm kartiert. So entsteht über die Zeit ein räumlicher Eindruck davon, wo die Tiere sich aufhalten. Je nach Verteilung und Einzelfall dürfen in einem bestimmten Gebiet dann zum Beispiel keine Windräder gebaut werden. In anderen Fällen kann es die Möglichkeit geben, die Vögel durch neue Nahrungsflächen umzuleiten , so dass das Bauvorhaben zu einem späteren Zeitpunkt doch umgesetzt werden kann. So wird gewährleistet, dass Artenschutzbestimmungen eingehalten und die Artenvielfalt in Deutschland erhalten werden kann.

Fast spielend leicht kann so ein Geoinformationssystem dabei helfen, genaue Kartierungen anzufertigen und damit ein Gutachten zu untermauern. In diesem Anwendungsbeispiel gehört neben der Kenntnis eines bestimmten Programmes auch ein gutes Verständnis von artspezifischem Verhalten.

Datengeleitete Arbeit

Was genau ist so ein GIS-System denn aber nun eigentlich? Wer schon einmal nach einer Wegbeschreibung bei Google Maps gesucht hat, hat bereits selbst mit GIS gearbeitet, oder zumindest mit einem ähnlichen System. Was bei GIS anders ist ist, dass man geographische Daten mit Informationen aus einer Datenbank füttern kann – in unserem Beispiel die Sichtung einzelner Vogelarten. Dabei gibt es verschiedene Anbieter wie z.B. ArcGIS oder QGIS. Die Programme unterscheiden sich in einzelnen Punkten, aber ihr Anwendungszweck ist derselbe: das Zusammentragen großer räumlicher Datenmengen, um eine konkrete Fragestellung zu beantworten. Dabei können ganz unterschiedliche geographische Informationen genutzt werden – z.B. die Populationsdichte in einem konkreten Gebiet, eine Ausbreitung oder Routen.

Wir Menschen sind am Boden lebende Geschöpfe, die sich ohne Hilfsmittel das Ausmaß von räumlicher Verbreitung nicht leicht vorstellen können. Geoinformationssysteme helfen uns dabei, ein Bild unserer Umwelt zu generieren, wie es anders nicht möglich wäre.

Und das Beste ist, dass Christoph seine GIS- und Vogelkenntnisse auch bei einem weiteren Projekt helfen werden: seiner Doktorarbeit. Damit wird er demnächst fortsetzen, was er mit seiner Masterarbeit begonnen hat. Dort untersuchte er ein Feuchtgebiet in Aserbaidschan, an dem sich Jahr für Jahr zehntausende Watvögel bei ihrer Durchreise einfinden Von den Brutgebieten Osteuropas und Westasiens in die Überwinterungsgebiete nach Indien, dem Mittleren Osten oder Afrika. Es scheint sich dabei um einen zentralen Knotenpunkt für die Zugvögel zu handeln, der bislang jedoch kaumuntersucht wurde. GIS wird ihm dann dabei helfen, zum Beispiel die Ausdehnung von Schlammflächen zu erfassen, in denen Watvögel nach Nahrung auf ihrer Wanderung suchen. Durch seine berufliche Tätigkeit und die Forschung entsteht so also eine starke Verbindung aus Theorie und Praxis.

Wir bedanken uns, dass Christoph sich die Zeit genommen hat, uns Rede & Antwort zu stehen, und wünschen ihm viel Erfolg für seine Promotion.

Den Bestand einer Tierart zu schützen ist nicht erst in Zeiten von Klimawandel und Artensterben ein wichtiges Thema, das mit der Verbindung modernster Technologie deutlich an Möglichkeiten gewonnen hat. Wenn ihr jetzt Lust also bekommen habt, selbst in diesem Bereich aktiv zu werden, schaut gerne bei unseren GIS-Kursen rein!

Wir freuen uns auf Euch ♥

 

 

Titelbild: Unsplash, Vincent van Zalinge

Weitere Beiträge